Das wohl in Deutschland seltenste Supra-Modell: Der Supra SE (US-Spec)

Als die Verkäufe des Supra in den ersten beiden Verkaufsjahren schlechter liefen, als von Toyota prognostiziert, wurde 1995 ein auf 1000 Einheiten limitiertes Sondermodell der Nonturbo-Variante in den USA eingeführt: der Supra S(pecial) E(dition). Dieses zeichnet sich optisch durch goldene Embleme, den “Supra SE”-Schriftzug am Heck, sowie seitliche Zierstreifen aus. Im Innenraum findet sich das “Supra SE” Logo auf den Fußmatten wieder, außerdem wurde dieses Modell ausschließlich als Hardtop und mit Stoff-Innenausstattung verkauft. Es wurde sowohl die Automatik-, als auch die Handschalter-Variante angeboten, außerdem gab es den SE nur in drei Farben: schwarz, rot, und das ausschließlich auf dieser Variante erhältliche Diamond White Pearl, ein wunderschönes Perleffekt-Weiß. Wie groß kann also die Chance sein, so ein Fahrzeug auf deutschen Straßen zu erblicken? Zugegebenermaßen: extrem gering. Arne Kolodzeike ist im Besitz des einzigen SE-Modells auf deutschen Straßen, dazu noch im seltenen, perlweißen Gewand. Die Geschichte dazu kann man guten Gewissens als absolut einzigartige Lovestory bezeichnen.

Der erste Berührungspunkt mit dem Auto, welches Arnes Leben verändern sollte

Arnes erster Berührungspunkt mit dem Supra war ein Bild auf einer Quartett-Karte: “Das war irgendwann zwischen der vierten und sechsten Klasse”, sagt er. “Ich war fasziniert von der Linie des Autos, der Form, des riesigen Spoilers und den imposanten 330 PS. Als ich dann ein Bild des Innenraumes gesehen habe, wusste ich, es ist das Auto für mich”.  Doch die Realität sah später vorerst anders aus. Sich selbst noch in der Ausbildung befindend, war an einen Supra nicht zu denken. “Ich habe Supras immer mit Porsches oder Ferraris in Verbindung gebracht, das war für mich etwas völlig unerreichbares. Ich hatte mich damals auch nie mit den Preisen und Modellvarianten beschäftigt.”, gibt er lachend zu.

Durch das Kennenlernen eines späteren Freundes, der einen Supra besaß, waren die Berührungspunkte auf einmal da und der Supra präsent wie nie. Es wurden Preise gecheckt und da Arne sowieso eher ein ruhiger Cruiser ist, entschied er sich, auch auf Grund des Preises, im Jahr 2011 für ein handgeschaltetes, rechtsgelenktes Nonturbo-Modell aus Japan. Das Auto befand sich in einem mäßigen Zustand und so entstand der Plan, den Wagen in einen Neuwagenzustand zu versetzen. Jeder, der das Auto gesehen hat, weiß auch, dass dies zu 101 % erfüllt wurde. Es gab beinahe keine Schraube, keine Plastikleiste, keine Innenraumteile, welche nicht erneuert wurden. “Ich habe versucht, das Auto so schön und Original wie möglich zu machen und dafür auch auf wirklich viel verzichtet. Partys oder Urlaube sind immer ausgefallen, damit ich so viel es geht in Toyota-Neuteile investieren konnte.”.

Der Traum vom Supra, welcher aussieht, wie aus einer offiziellen Toyota-Broschüre entnommen, war also erfüllt. Oder etwa doch nicht?

Die alles verändernde Fahrt im “Broschüren-Supra”

Auf dem alljährlich stattfindenden Forumstreffen des German Supra MKIV Group e. V. im Jahr 2013 ließ unser Mitglied Gian (Anm. d. Autors: der auch mich zum Linkslenker gebracht hat) Arne einen linksgelenkten Supra deutscher Erstauslieferung fahren, dazu noch in der “Prospekt-Farbe” silber. Eine folgenschwere Tat, denn Arne, der eine riesige Broschürensammlung sein Eigen nennt und Supra-Enthusiast durch und durch ist, kam ins grübeln. “Es war so ein irres Gefühl, in einem deutschen Modell zu sitzen, was mal über 100.000,00 DM gekostet hat. Die Sitzposition links hat mich so gefesselt, ich wollte am liebsten nie mehr aussteigen.”, gibt er zu. So keimte die erste Idee, unbedingt einen Supra mit dem Lenkrad auf der linken Seite besitzen zu müssen.

 

In den Folgejahren fuhr Arne immer wieder Linkslenker diverser Forenkollegen auf den Treffen und seine Unzufriedenheit mit dem eigenen Auto wuchs stetig. Die Marktpreise für ein deutsches Modell mit Automatik liegen im Bereich 30.000,00 € – 40.000,00 €. So ein Auto konnte er sich einfach nicht leisten und gibt dies auch offen und ehrlich zu. Als im Forum ein in Deutschland erstausgelieferter Supra für 38.000,00 € angeboten wurde, welcher zu 100 %  seinen Vorstellungen entsprach, was Laufleistung, Zustand, Farbe und Vorbesitzer betrifft, wollte er schon jegliche Vernunft über Board werfen, einen Kredit aufnehmen und das Auto kaufen. Alle engen Freunde rieten ihm davon ab und so siegte schlussendlich doch die Vernunft, auch wenn damit fast ein für alle Mal klar war, dass der Wunsch des 100 %igen Traumwagens wohl nie realisiert werden kann. Andererseits: wofür sind Träume da? Genau richtig, um sie sich zu erfüllen. Arne ließ nicht locker: Es sollte nicht sein Traum bleiben, sondern sein Ziel sein! Es musste doch irgend eine Möglichkeit geben, einen Linkslenker in den eigenen Besitz zu bringen!

Manchmal liegt das Glück näher, als man denkt.

Diese Möglichkeit gab es! Ja, es gab sie und sogar direkt vor seiner Nase, in seiner Heimatstadt Hamburg. Durch eine internationale Carspotter-Seite war seit mindestens 2006 ein weißer US-Supra in Hamburg bekannt, der immer mal wieder im Laufe der letzten zehn Jahre gesehen wurde. Arne kannte das Auto von Bildern und erfuhr durch einen Arbeitskollegen, wo der Besitzer in etwa wohnt. Er hatte den Wagen an der Straße stehen sehen. Einfach aus Interesse ist Arne hingefahren, um sich den Supra anzuschauen. Glücklicherweise ergab sich ein sehr nettes Gespräch mit der Besitzerin des Fahrzeuges. Sie ist Deutsche, hat einige Zeit in der Nähe von Los Angeles gelebt und den Wagen 1995 neu beim größten Toyotahändler, dem zu Penske gehörenden Vertragspartner Longo, gekauft. Arne spielte nie mit dem Gedanken, das Auto zu kaufen, sondern klärte die Besitzerin nur über den aktuellen Wert auf und dass sie den Wagen niemals zu billig hergeben dürfte. Immerhin besitzt sie den wohl einzigen Supra SE in Deutschland.

Arne fuhr nach Hause und war geflasht! Ein echter SE und das in Deutschland! Goldene Embleme, Automatik, das seltene Perlweiß, womit nur 454 (!) Supras überhaupt ausgeliefert wurden, kompletter Originalzustand. Wow! Was für ein Auto. Eine echte Supra Seltenheit. Ein Auto wie aus dem Prospekt. Moment mal…da war ja was. Er wollte jedoch auch nicht unhöflich sein und das in Erstbesitz befindliche Fahrzeug abschwatzen. Seine Eltern und seine Freundin überzeugten ihn aber davon, wenigstens einmal zu fragen, ob man das Auto nicht kaufen könne. Es gab nichts zu verlieren, so setzte er sich hin und schrieb in einem 6seitigen Brief seine Gedanken nieder und dass die Dame und ihr Mann ihm einen Lebenstraum erfüllten könnten, wenn sie ihm ihren Supra veräußern würden. Offenbar hat dieser so ins schwarze getroffen, dass am Tag nach dem Einwurf in den Briefkasten Arnes Telefon klingelte. Die Frau spielte eh mit dem Gedanken, das Auto zu verkaufen und so bekam er die Zusage, dass niemand anderes als er das Auto jemals kaufen wird. “Ich hatte einfach unglaubliches Glück. Der Supra sollte sowieso durch einen RAV 4 ersetzt werden, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und die Chemie zwischen Petra [Besitzerin, Anm. d. Red.], ihrem Mann und mir stimmte einfach.”, grinst er überglücklich. Also wurde ein fairer Preis für den Wagen ausgehandelt und der J-Spec zum Verkauf angeboten. 13 Tage später wechselte dieser den Besitzer, und der SE ebenfalls.

Für Arne ist der Supra der absolute Volltreffer. Nicht nur, dass er einen seltenen Wagen aus erster Hand kaufen durfte, nein, auch ist die Historie wirklich komplett vollständig. Diese beginnt mit dem Anlieferungsbeleg (!) bei Toyota Longo, dem Sales Sticker, weiter über jegliche Wartungsbelege aus den USA, den Exportdokumenten, dem Carfax-Bericht, allen Rechnungen, bis hin zu allen Wartungsunterlagen beim in Hamburg ansässigen Toyota Autohaus Michael. Ebenfalls bekam er beim Kauf diverse Bilder aus den USA zum Auto dazu. Geht es besser für jemanden, der extrem Wert auf eine saubere Historie legt?

Glücklicher könnte man als frischgebackener Linkslenker-Suprabesitzer also kaum sein. Die Geschichte von Arnes Supra ist so einzigartig, wie man es sich nur vorstellen kann. Nach dem Neukauf 1995 wohnte das Auto mit seiner Besitzerin in Santa Clarita, nahe Los Angeles. Im Jahr 2000 stand der Umzug nach Hamburg auf dem Programm, seitdem wurde das Auto jeden Tag, Sommer wie Winter, auf dem Seitenstreifen einer Hauptstraße der Hansestadt geparkt. Laut der Vorbesitzerin wurde der Wagen im Winter nie gefahren, dennoch gab es keine Garage, kein Carport oder etwas ähnliches. Der perlweiße Lack ist deswegen nicht makellos, der Innen- und Motorraum dafür umso mehr. Gerade mal 95 000 Meilen (ca. 150 000 km) hatte der Supra beim Kauf durch Arne gelaufen.

 

Auf meine Nachfrage, wie denn nun die Pläne für dieses Auto sind, bekam ich eine einfache Antwort: “Es gibt keine. Fahren und pflegen, ein paar optische Macken ausbessern.”. Arne ist hundertprozentig zufrieden mit seinem Supra und stolz darauf, dass er sich diesen Traum aus eigener Kraft erfüllen konnte. “Man muss auch ehrlich sagen, dass ein Deutsches Modell finanziell absolut nicht in meinem Budget liegt. Die kosten inzwischen so viel und ehrlich gesagt fuhr ich vorher seit sechs Jahren Nonturbo und bin auch jetzt immernoch glücklich damit. Ich schätze die einfache und solide, Toyota-typische Technik, es geht nie etwas kaputt und die Leistung hat mir schon immer gereicht. Von daher war der Fund des SE genau richtig, es ist einfach der perfekt auf mich zugeschnittene Supra.”.

Der Traum vom Broschüren-Supra ist nun also endgültig erfüllt, oder etwa doch nicht? Leider nein. Falls man jetzt als Leser zusammenzuckt und sich fragt: “Was will der Junge denn bitte noch?”. Der Grund ist natürlich nicht das Auto. Arne hat in seiner umfangreichen Sammlung einfach kein Prospekt des Supra SE. Das ist dann der wirklich letzte Teil zur vollendeten Erfüllung des Supra-Traumes.

 

Photos: Arne Kolodzeike @Like_a_Supra

Text: Andy Kmoch  @ANKRacing

Verwandte Artikel